6. Gemeinsamer Kongress von ZiMMT und ÄMM

Jan Dominiczak

6. Gemeinsamer Kongress von ZiMMT und ÄMM  – Manualmedizin, ein interdisziplinäres Konzept

Veranstaltungsort: vom 08. bis 10. März 2018 an der Freien Universität Berlin, Henry Ford-Bau

Zielgruppe: Ärzte, Therapeuten, Pflegepersonal, Hebammen

Der ZiMMT-Kongress stand im Zeichen rund um die Entwicklungsförderung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen mit ca. 350 Teilnehmern.

 

Thema des Vortrags: Blickdiagnostik des okulomotorischen Systems – Jedes Sehsystem hinterlässt Spuren

Fast jeder Mensch hat Sehdefizite, die größtenteils kompensiert werden können. Dadurch kommt es jedoch zwangsläufig zu mehr oder weniger „verzögerter Wahrnehmung“. Die Sehdefizite unseres beidäugigen Systems (durch das Zusammenwirken unserer zwei Augen können wir räumlich sehen) hinterlassen durch Fusionsanstrengungen und Kompensationsmechanismen deutliche Spuren, welche für das geübte Auge erkennbar sind. Vor allem im Vorschul- und Kindesalter zeigen sich diese besonders deutlich in den Heften aller Fächer der Schüler. Auch beim Lesen, weil es ihren Augen nicht gelingt, koordiniert den Buchstaben eines Wortes zu folgen. Der Scanner versagt. Beim Schreiben halten sie Linien nicht ein, lassen Buchstaben weg, können Buchstaben- und Wortbilder nicht exakt reproduzieren oder diese exakt automatisieren. Da sie durch Fusionsprobleme des binokularen Systems kein sicheres Wortbild aufbauen können, schreiben sie Worte so, wie sie diese aussprechen. Es kommt zu typischen Fehlern, welche sogar bestimmten Sehdefiziten zuzuordnen sind und damit Lehrern Hinweise auf mangelnde Sehqualität geben können. Nachfahrbögen eines Kindes im Kindergarten korrelieren mit seinen später in der 1. Klasse gemachten und der dazu passenden Schrift. Langzeitbeobachtungen zeigen auf, dass daher aus den Nachfahrbögen Voraussagen möglich sind, wie z.B. die Lese-, Schrift- und Schreib- und Rechenfähigkeit dieser Kinder und weitere Schwierigkeiten voraussichtlich in den ersten Schuljahren sein werden.

Misserfolgserlebnisse und gescheiterte Schulkarrieren könnten verhindert werden, wenn die Sehdefizite dieser Kinder rechtzeitig, evtl. schon im Kindergarten entdeckt und korrigiert werden würden.

Speziell dafür entwickelte ich Nachfahrbögen (wie den Slalombogen), die seit über 15 Jahren erfolgreich angewendet werden. Auch in Schweden kommen sie zum Einsatz, um Sehdefizite zu entdecken. Mit absolutem Erfolg. Sie ermöglichen es dem Lehrer, sich schnell ein Bild über die Wahrnehmungssituation aller Schüler einer Klasse zu machen, um deren Miss- aber auch Erfolge verstehen zu lernen. Selten liegt es an der Intelligenz der Kinder. Seh- oder Hördefizite sind meist als Ursache zu finden. Zwei der von den Schülern im Klassenverband nacheinander bearbeiteten Bögen dokumentieren deren Sehqualität und Konzentrationsfähigkeit. Dazu ist eine Schulstunde ausreichend.

Auch im Sport kommen Schüler durch „verzögerte Wahrnehmung“ nicht zu den gewünschten Erfolgen. Sie ist es auch, die vielen Kindern Erfolgserlebnisse im Umgang mit Bällen beim Fangen und Werfen, beim Federball oder bei Mannschaftsspielen nicht oder nur schwer möglich macht. Grob- und Feinmotorik sind dabei nicht zu trennen. Defizite des binokularen (räumlichen) Sehens gehen auch einher im Zusammenhang mit Höhenangst, ungenügender Körperwahrnehmung oder Schwierigkeiten beim Balancieren – je nach Ausprägung und Kombination unterschiedlicher, relevanter Sehfaktoren miteinander.

Im Vortrag wurde aufgezeigt, wie das Sehsystem schon Kinder in Zwangshaltungen durch Sehdefizite zwingt, nur um möglichst energiearm zu arbeiten. Diese können in der Folge zu Körperfehlhaltungen führen, die neben hohem Lernaufwand zusätzlich den Einsatz orthopädischer Mittel oder Ergotherapie nötig machen und auch auf die Sprechmotorik Auswirkungen haben.

 

Thema des Seminars im Rahmen des ZiMMT-Kongresses: Schulschwierigkeiten im Alltag – Klippen und Fallstricke

Hier konnten die Teilnehmer erleben, wie es einem Erstklässler geht oder ergeht, wenn er ein komplettes Schreibsystem erlernen muss, welches ihm völlig neu ist. Wobei man bedenken muss, dass dies allein schon bei exakter, visueller Wahrnehmung schwer genug ist. Erschwerend kommt hinzu, dass in unserem Kulturkreis fast 80% der Grundschüler „entwicklungsbedingt“ weitsichtig (oder „alterssichtig“) sind. Sie müssen, falls dies nicht erkannt und korrigiert wurde, im Nahbereich unter Anstrengungsbeschwerden oft bis zu 6 Stunden im Unterricht für sie visuelle Schwerstarbeit leisten. „Entwicklungsbedingt“ wird leider immer noch als „normal“ gedeutet und daher eine Korrektion durch eine Brille als nicht notwendig angesehen. So wird den Eltern oft ein „gutes“ Sehen ihrer Kinder attestiert, obwohl Hilfe für sie dringend nötig wäre. In China dagegen sind 80% der Grundschüler entwicklungsbedingt kurzsichtig. Kurzsichtige, das weiß man inzwischen, sind die Bildungsgewinner. Ist es nicht an der Zeit, unseren Schulkindern diese für ihre schulische Entwicklung so wichtigen Komponenten wie exaktes und räumliches Sehen in der Nähe in ausreichendem Maße zukommen zu lassen?

 

Die Natur hat uns mit zwei Augen ausgestattet, damit wir räumlich sehen können. Räumliches Sehen ist unverzichtbar. Gerade beim Lernen.

Besser sehen – besser lernen!

Ganz sicher keine Frage!

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